Unsere Gewinner*innen im September 2021

Wettbewerb im September 2021

„Mein Gehirn schlägt Alarm; / Da ist wer in meinem Kopf.“ Im September haben wir euch um Gedichte gebeten, in denen ein Computervirus euer Hirn befällt und in eure Gedanken eingreift. Was passiert, wenn man nicht sicher sein kann, ob man „fake thoughts – gefälschte Gedanken“ denkt? Wenn man nicht mehr weiß, ob im Kopf die eigene oder eine fremde Stimme spricht? Inspiration lieferte ein Gedicht des Lyrikers Martin Piekar, in dem es heißt: „ich glaube, ich habe einen computervirus“. Herzlichen Glückwunsch an Johanna Glowacki, Lisa Hentschel, Tonda Montasser, Clara Scheid und K. Sharma! Ihr seid die September-Monatsgewinner*innen in der Altersgruppe 10 – 14 und eure Gedichte gehen in die Jahreswertung 2022 ein! Wir wünschen allen viel Spaß beim Lesen ihrer Sieger*innentexte!

fehler 101

Johanna Glowacki
2007

/ bitte – ich stehe vor dir wartend,
seit einer Epoche schon
/ bitte wählen – ich überlege krampfend,
was hier gerade unangebracht(er) ist
/ bitte wählen Sie – ist es der fakt, dass ich pünktlich erschienen bin,
oder der, dass du mich gerade warten lässt?
/ bitte wählen Sie einen – ich fühle mich unwohl,
in der Gruppe bist du so – anders.
/ bitte wählen Sie ein anderes – Enttäuschung erfüllt mich, während ich dich beobachte
wir kommen zu spät zum Termin, auf den ich mich freute, von dem ich dir erzählte. etwas läuft falsch.
/ bitte wählen Sie ein anderes Laufwerk – critical error; mein Kopf ist nicht mehr meiner
meine Füße machen sich selbstständig
/ […] um mehr – ich entferne mich von dir
Automatisierung
/ […] um mehr Speicherplatz zu gewinnen – bin schließlich weg von dir
wieder vor der Tür, auf dem Fahrrad und fahre allein und fühle mich frei – selbstbestimmt, wie kann das sein?
/ kehren Sie zum […] – aber so war es gar nicht, denn ich blieb feige, ohne Meinung, das wäre
gewesen, hätte ich auf das Programm gehört
deshalb übersprang ich die Auswahl zum anderen Laufwerk, stattdessen zurück zum
/ kehren Sie zum sicheren Browser zurück – , stattdessen zurück zum Bekannten.
jetzt trete ich deshalb in Interaktion mit dir, doch wir reden nicht darüber, was wir denken und präferieren,
denn du bist digital sozial und schaust von deinem Handy nicht mehr auf
und ich weine, weil du mich scheinbar nicht mehr (be)merkst und brauchst
/ virus – error
kein Weg zurück und dann
Absturz
das schöne Bild von dir erlischt.

Hilfe

Lisa Hentschel
2009

Farben sehe ich schon lange nicht mehr
Alles schwarz, alles dunkel
Kann ich mir noch vertrauen?
Eine Stimme verfolgt mich

Tagein, tagaus höre ich sie
Habe ich das wirklich verdient?
Oh, ich habe solche Kopfschmerzen
Und niemand hilft mir
Ganz allein muss ich kämpfen
Hört mich keiner?
Türen in die Normalität bleiben verschlossen
Schon wieder Kopfschmerzen, schon wieder Dunkelheit!

Test unterste Ebene

Tonda Montasser
2011

Test unterste Ebene
Instagram, Tiktok, Brsl… Facebook, Telegraaaa… 


Meine Mutter im Netzwerk G 
Neobildzeitungmetaphorischpädophilheit 
mit Extrasahne 
Terassenmassakerkinder alle zu mir! 

Blasen durch die Röhren von Martin Piekar. 
Kopfschmerzen pflegen Legoamokläufer 
immenser Druck an Knochen-Coldmirror-Schlägen 
Sekten-DND-Suizid an verrotteten Pickeldesastern 
Tintenroller in deine lebensverrosteten Leberwurstschlangen!

Chi, Völkermord, Wolken, Manson 
rührsam Cannibalcorpse erzwingen
Hallen voll mit toten Lampen 
Apokalypsen Karma. 

Ich gieße dir, du Golem verzweifelter Seelen, 
einen Schuss Nektar in deinen grellen 
rotbraunen Wein, Wasserbasis, du Monster, 
ein Computervirus lässt sich nicht verstehen.

Rotsalatfischer, mentale Zerstörung 
durch Augenfetische 
Ecken im Blatt der Rammsteinlieder
Recken und Strecken im Turm surrealer Kunst 
Nickbackbo, Verscomedian. 

Enter meines Vaters kranke 
Zungen ertranke
riskier einen eingängigen Kurt-Cobain-Tod 
oder war es John Lennon? 

Zitiere für meine eigenen Enden 
der Welt Spotify-Playlist 
forever.

 

wer in meinem Kopf

Clara Scheid
2008

Ein falscher Gedanke.
Er ist nicht von mir.
Ich denke flüchtig;
Was ist da in meinem Kopf?

Etwas Seltsames, denke ich.
Das gehört nicht zu mir.
Ich frage mich;
Ist da wer in meinem Kopf?

Ich sage etwas.
Das hätte ich sonst nicht getan.
Mein Gehirn schlägt Alarm;
Da ist wer in meinem Kopf.

Ich mache etwas.
Das ist vollkommen falsch.
Ich schreie;
Wer ist da in meinem Kopf?

Ich kriege keine Antwort.
Es ist still.
Nichts mehr kommt.
Mein Kopf ist leer.

Verloren

SKaSh
2008

Ich surfte durch das Netz,
ohne zu wissen wohin.
Aber ich surfte weiter,
hatte vergessen, wer ich bin.
Zu viel war passiert,
in zu wenig Zeit.
Wenn ich könnte, würd ich was ändern,
doch ich bin nicht bereit.
Ich hab alles verloren,
nichts ist mehr da.
Hab mich falsch entschieden,
nur fürs Digitale. Naja!
Kann’s nicht mehr ändern, sie sind weg,
sprich: nicht mehr da.

Freunden und Familie bin ich fremdgegangen,
war nie für sie da, hab sie nie verstanden.
Ich wollte immer mehr und merk erst jetzt,
wie wenig ich noch hab.
Sie haben versucht, mich zu warnen,
doch ich habe nur gelacht.
Ich hatte nur das Große im Sinn
und nie wirklich nachgedacht.

Und dann traf ich ihn
auf nem Fest von meinem Kollegen.
Hab in seine Augen gesehen
und mich wieder gefunden.
Ich dachte, dass es so etwas nicht gibt,
doch dann hab ich ihn getroffen und mit vollem Herzen geliebt.

 

Schreibe, um zu träumen.