briefmarkengrosse nachmittagsbissen
Die Jury hat entschieden!
Wettbewerb im Juli 2023
Wer hält einen Schirm über dich, wenn der Regen niederprasselt? Wer ist mit dir albern, um dich abzulenken, wenn du Liebeskummer hast? Wer kocht dir dein Lieblingsessen, wenn du krank im Bett liegst? Diesen Monat dreht sich bei uns alles um das Thema Fürsorge: Wer ist um euer Wohlbefinden bemüht? Wer sorgt sich um euch? Und auch andersherum: Kümmert ihr euch um jemanden? Für wen seid ihr gerade der Rettungsanker? Im Juli suchen wir eure fürsorglichen Gedichte!
Sich auf eine Bank setzen und mit Fremden über seine Sorgen sprechen? Das kann funktionieren, wie ein Projekt aus Simbabwe zeigt, das Friendship Bench heißt und mittlerweile auch in zahlreiche andere Länder überführt wurde. Die Freundschaftsbank ist eine einfache Holzbank, die im öffentlichen Raum aufgestellt wird. Zu festen Zeiten setzen sich ehrenamtliche Berater:innen auf diese Bänke und sind offen für Gespräche mit allen, die wollen. Man kann sich zu ihnen setzen und von großen und kleinen Problemen und den eigenen Sorgen erzählen und ist nicht mehr ganz so allein damit.
Manchmal sind es die kleinen Dinge, die lange im Gedächtnis bleiben, wenn sich jemand besonders liebevoll um das Wohlergehen einer anderen Person bemüht. So auch in dem Gedicht, das wir euch diesen Monat vorstellen möchten: „marmeladenbrot“ hat die Schweizer Lyrikerin Simone Lappert ihrer Großmutter gewidmet und der Titel deutet bereits an, was ihr als besonderer Ausdruck der Fürsorglichkeit im Gedächtnis bleibt: Die Erdbeermarmeladenbrote, die sie ihr als Kind zubereitet hat, die „briefmarkengrosse[n] nachmittagsbissen“ – unsere Inspiration zum Monatsthema!
Schickt uns im Juli eure Fürsorgegedichte! Schreibt von einer unvergesslichen Situation, in der sich jemand um euch gekümmert hat. Oder haltet wie Simone Lappert eine vermeintliche Kleinigkeit fest, die euch für immer als Zeichen von Fürsorglichkeit im Gedächtnis bleiben wird. Oder schreibt ein Gedicht für jemanden, der:die es gerade schwer hat und der:dem ihr Stärke, Mut oder eine Aufmunterung wünscht. Wir freuen uns auf eure Gedichte zum Thema „briefmarkengrosse nachmittagsbissen“ und wünschen euch wunderschöne Sommerferien!
marmeladenbrot
für janine nançoz
an guten tagen entfernte grand-maman
mit gezacktem messer weissbrotkrusten,
trug grosszügig margarine auf,
zuletzt mit dem löffel erdbeergelée,
das auf dem streichfett zu kleinen inseln verrutschte.
an allerbesten tagen schnitt grand-maman
das brot entlang der küsten
in briefmarkengrosse nachmittagsbissen:
postkarten an die erinnerung.
aus: Simone Lappert: längst fällige verwilderung
Copyright © 2022 Diogenes Verlag AG Zürich
Weiterführende Informationen
Simone Lappert
(*1985) studierte Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel, sie lebt und arbeitet als freie Autorin in Zürich. 2014 erschien ihr Romandebüt Wurfschatten (Metrolit) mit dem sie für den ZDF-aspekte-Preis und den Rauriser Literaturpreis nominiert war. Ihr zweiter Roman Der Sprung erschien 2019 bei Diogenes und war für den Schweizer Buchpreis sowie als Lieblingsbuch des Deutschweizer Buchhandels nominiert. Im Frühjahr 2022 erschien ihr erster Gedichtband längst fällige verwilderung – gedichte und gespinste bei Diogenes, für den sie eine Literarische Auszeichnung der Stadt Zürich erhielt. 2023 erschien die mit der E-Bassistin Martina Berther erarbeitete Spoken Poetry Performance zu längst fällige verwilderung als Hörbuch (Diogenes). Simone Lappert ist literarisch und performativ an diversen Kunstprojekten beteiligt, ist Präsidentin des Internationalen Lyrikfestivals Basel, Jurymitglied des Basler Lyrikpreises,war Schweizer Kuratorin für das Lyrikprojekt Babelsprech.International und ist Mitglied des Ad*S (Verband Autor*innen der Schweiz). Ihre literarische Arbeit wurde vielfach gefördert und ausgezeichnet.
