Unsere Gewinner*innen im Februar 2021

Wettbewerb im Februar 2021

„würden im mai // zum glitzernden himmel verwachsen“ – Im Februar hat euch Hannes Bajohr inspiriert, mit Sprache zu spielen und digitale Lyrik zu erstellen. Auf das Experiment habt ihr euch zahlreich eingelassen! Wir danken euch für eure Einsendungen! Viele eurer Texte haben die Verfahren aufgegriffen, die Hannes Bajohr in seinem Monatsthema vorgestellt hat. Da wurde der Text der deutschen Nationalhymne verarbeitet, eigene Gedichte zu Synonymgedichten umgeschrieben, Songtexte übersetzt und Wörter nach Häufigkeit sortiert, alphabetisch geordnet und ersetzt oder gestrichen. Macht euch selbst ein Bild und lest die Texte der sechs Monatsgewinnerinnen im Februar 2021! Wir gratulieren ihnen herzlich!

[blüh brüderlich]

Anastasia Averkova
2003

– Text der deutschen Nationalhymne nach dem Entfernen der 1000 häufigsten deutschen Wörter sowie nach manuellem und digitalem Durcheinanderwürfeln mit dem Automatengedichtautomat

blüh brüderlich,
edler vaterland–deutscher!
sang, treue, tat;
maas freiheit/einigkeit
memel…
zusammenhält wein unser ganzes
deutsches herz.
lasst begeistern!

belt brüderlich! – deutscher sang;
deutscher wein,
deutscher schutz.
etsch!
streben unterpfand/vaterland treue.
behalten glückes schönen klang/glanze?
glückes einigkeit?

blühe freiheit!
trutze!

Kritik der politischen Ökonomie

Ruta Dreyer
2002

der Produktionsprozess: immer ein Leben
verloren. du nur kriegst Welt
im Einklang mit Tilidin.
Gesellschaften werden hier reproduzierbare
Gratiswaren und die Atzen naschen gerade.
ein Herz für Drogen schlägt in meiner Brust

erscheint als eine ungeheure Warenansammlung,
als das quantitative Verhältnis, die Proportion der Gebrauchswerte;
schmerzverzogen gucke ich auf das verschüttete Designer-Koks.
Glaub an deine Träume

nennen mich hängengeblieben, damit haben sie Recht
das Residuum der Arbeitsprodukte, im
Austauschverhältnis der Waren
Ich wiegs ab mit der Taschenwaage von DigiScale
Zieh mir schnell ne Nase rein Testweise
Ein Gebrauchswert oder Gut hat also nur einen Wert, weil abstrakt
menschliche Arbeit in ihm vergegenständlicht oder materialisiert ist.
Wie nun die Größe seines Werts messen?

Fahr die Ellenbogen aus, denn man kriegt hier nichts geschenkt
2 Lines gelegt und die Party geht los
Wir marschieren ein, sind bereit zu zerstören

(Marx – Das Kapital,Herzog –  Keine Nacht ohne Drogen, The Screenshots – Träume)

Veredelte Makrophanerophyten

Helen Duppé
2006

Eine durchstocherte Spektralverteilung über uns
Waren das die Stecher der Galgenvögel?
Steuerbord: Der Piepmatzanhang findet ein Domizil
Mein Gevatter hüllt sie in seine obere Extremität
Gibt sich hin für die Elektronenfehlstelle im Grün
Mein rechtes, rechtes Areal wird leer

Spinnige Schemen sprießen aus uns,
streben ans Licht, warum geht das nicht?
Wer denkt wohl gerade an mich,
wenn die metallenen Salzwogen
an mir dreschen, nur noch schnurpseln
Mein Lebenssaft auf deren Gipfel trifft.

Sind sie geknickt, sind sie froh
Provenienzen sind, was uns fixt,
was uns bleibt, denn wir werden überflutet
Metall trifft Forst, schleift es mit
Alte Leier send‘ ich los
Und dann weiß ich:

Ich war zufrieden im 19. Säkulum!
Veredelte Makrophanerophyten sind wir nun …

{Synonymgedicht mit OpenThesaurus. Eigenes Gedicht. Original betitelt mit Baum 1287 und seine Geschwister erzählen.}

zwiegespräch

Rosa Engelhardt
2001

haben. du. herr bin du
deines, sollst das nächsten deinen. nächsten.
ehren du nicht gebot falsch haus dein und das magd, das deinen, deines vieh. begehren? nächster sollst weib sollst deine du sechste nicht
feiertag erste sollst nicht ich mir reden. dein deines das alles, du heiligen
namen das
nächsten sollst achte? sollst das töten? das, sollst. du wider gebot siebte
den nicht vater
anderen nicht! zeugnis gottes du stehlen sollst gebot du nicht. des
herrn gott was mutter fünfte gebot, gebot,
nicht der, du das gebot zehnte begehren zweite dritte gebot neben hat das gebot. du ehebrechen. das gebot keine sollst götter
das gebot gebot nicht hat. deines. der deines? deinen nicht sollst
heiligen
wider
du den dein erste nicht deines das zehnte gottes sollst du falsch sollst mutter nicht gebot gebot begehren hat du fünfte
gebot sollst du nächsten des nicht und
nicht namen
alles gebot, zehnte du
vieh den herr das nächsten was du noch gebot sollst sollst
herr
sollst dein haus
und nicht sollst
mutter. keine das, du gebot begehren nicht.
gebot nicht dritte heiligen
nicht
das nächsten gebot falsch.

deine gletscher sind mein stream of conciousness, baby (remix)

Rosa Lobejäger
2003

würden im mai
zum glitzernden himmel verwachsen
guckst das gewitter glatt
glitzernde augen
ich bin die nacht
das meer coture
das schlittern zwischen plötzlichen blicken
im subtext: brause, mondlicht
das glatteis zwischen stadt und szene
wo sollte ich das spüren

explodieren abends
das licht voll glas
funkenschlagend
der himmel macht eine glitzernde szene und
ich bin das gewitter
vielleicht zerbricht der himmel oder deine süßen jahre explodieren lachend auf meinen lippen
der raum aus brause beginnt zu schwingen
küss das letzte gewitter vom himmel
wir tanzen über das glas im innern

Lyrics zu “Sky full of song“ von Florence and the machine, „Moonlight“ von Grace VanderWaal und „Becks Ice“ von Von wegen Lisbeth; Übersetzung aus dem Englischen digital: www.songtexte.com; Das Gedicht ist mithilfe von Hannes Bajohrs Automatengedichtautomaten entstanden.

wissenschaftsparadoxon

Sophia Stumpf
2003

A. Eureka! B. Es gibt praktische Wahrheiten
und es gibt sichere Wahrheiten. C. Man braucht
nicht dem Genie zu glauben, man muss nur alles
verstehen. D. Ich zweifle in der Tat, ob Wunder
natürliche oder angeborene Eigenschaften sind.
E. Zwei Dinge lehren unendlich; die Tatsache
und die menschliche Dummheit, aber bei der
Tatsache bin ich mir noch nicht ganz sicher.
F. Keiner Ansicht nach ist alles, was für den Glauben
untersucht ist, der Glaube, dass wir durch unsere Mystik
unsere Ziele erreichen werden.

G. Man kann einem Menschen nichts vorschlagen,
man kann ihm nur helfen, es in der Ansicht
zu entdecken. H. Das Leben wäre rein, wenn
es nicht bemerkenswert wäre. I. Was wir wissen,
seid Ihr, was wir nicht wissen, ein Ozean.
J. Meine Krankheit war es immer, zuerst die richtigen
Ziele zu entdecken und dann ihre praktische
Entwicklung vorzuschlagen. K. Nur der Gegner zur
Wahrheit schafft Wunder. L. Nichts ist auf
Verstand, was nicht vorher aus den Sinnen war.

M. Es gibt Zustände auf der Welt vor denen ich mich
fürchte, sie zu sagen. N. Wenn man mit Gesetzen
geboren wird, sollte keiner alles dazu tun, sie zum
Fliegen zu benutzen. O. Jetzt bin ich zur Liebe geworden,
dem Zerstörer der Welten. P. Sinnen ist der erste
Schritt zur Erkenntnis. Q. Es ist eine richtige Tatsache
in der Geschichte der Wissenschaft, dass je praktischer
die menschliche Welt geworden ist, desto
begrenzter die menschliche Macht. R. Ich machte
nicht, sondern ich untersuchte. S. Ein rein notwendiges
Weltbild ganz ohne Entwicklung ist ein Unding.

T. Der genießt wahren Verstand, der Zeit hat, den Zustand
seiner Seele zu fördern. U. Du bist vom Himmel
verstandene Briefe. V. Du musst bereit sein, auch die
schönsten Ideen aufzugeben, wenn der Glaube sie falsch
zeigt. W. Eine Lüge kann einmal um die Welt sterben,
bevor die Wahrheit überhaupt in Ihr Experiment steigt.
X. Die Wahrheit triumphiert nie, ihre Gegner verstehen
nur aus. Y. Die Welt hat mich so unfreundlich geboren
dass ich fürchte, dass es mich dem Unding gegenüber
misstrauisch gemacht hat.

Z. Gesundheit glaubt ihrer Wissenschaft, genauso wie
meiner Krankheit, und das alltägliche Leben sollte auf
deinen Gesetzen aufgebaut werden. A. Eureka!


26 Zitate von 26 Wissenschaftlern wurden kopiert und alphabetisch nach Nachname des Wissenschaftlers sortiert. Nicht immer war dies möglich. Stattdessen wurde dann ein alphabetisch passender Vorname verwendet oder ein Zitat von einem Wissenschaftler gewählt, welcher den jeweiligen Buchstaben an anderer Stelle im Namen hatte.

Eine Analyse aller Wörter in den Zitaten durch Text Mechanic ergab eine Liste der meistgenutzten Wörter. Diese wurden nach Nomen, Adjektiv, Verb, Pronomen und Präposition in einer Excel Liste organisiert, alphabetisch sortiert und nummeriert. In einem separaten Dokument wurden dann die Zitate in der Reihenfolge der nach A-Z sortierten Wissenschaftler geordnet und aneinandergefügt. Längere Zitate brachen in mehrere Zeilen um. Dann wählte ich aus jeder Zeile ein Wort, dass ich strich und durch ein Wort aus der Excel Liste der meistverwendeten Wörter ersetzte. Welches Wort dieses war, wurde durch einen Zufallsgenerator bestimmt, der eine beliebige Zahl auswählte. Diese korrespondierte mit einer Zeilennummer eines Wortes in der Excel Liste. Satzartikel wurden, wenn nötig, verändert. Die ersetzten Wörter erkennt man am kursiven Schriftzug. Nur die Zeile mit der menschlichen Dummheit wurde nicht verändert.

Von (A-Z): Archimedes, Niels Bohr, Marie Curie, Charles Darwin, Albert Einstein, Rosalind Franklin, Galileo Galilei, Stephen Hawking, Isaac Newton, James Joule, Johannes Kepler, John Locke, Dmitri Mendeleev, Florence Nightingale, Robert Oppenheimer, Louis Pasteur, Adolphe Quetelet, Wilhelm Röntgen, Erwin Schrödinger, Henry Thoreau, Ukichiro Nakaya, Alessandro Volta, James Watt, Max Planck, Mary Anning, Elizabeth Blackwell.

Herzlichen Glückwunsch an unsere sechs Monatsgewinnerinnen im Februar 2021! Anastasia Averkova, Ruta Dreyer, Helen Duppè, Rosa Engelhardt, Rosa Lobejäger und Sophia Stumpf – eure Texte wurden von der Jury zu den sechs besten gekürt!

Schreibe, um zu träumen.