Die Lüge brüllt

Die Jury hat entschieden!

Zu den Gewinner*innen

DAYS HOURS, MINUTES, und  SECS
[[deadline:2021-06-30 24:00:00]]

Wettbewerb im Juni 2021

“Lügen — ohne Verdeck fast ohne / Widerstand”. Im Juni wird bei lyrix gelogen, und das im ganz großen Stil. “Die Lüge brüllt” heißt dementsprechend unser Thema. Die Zeile stammt aus dem Text “Actus robustus”des Lyrikers Asmus Trautsch und soll euch inspirieren, euch mit “lauten” Lügen zu befassen. Das können Lügen sein, die ganze Gesellschaften betreffen, Lügen zwischen zwei Menschen oder Lügen, die keinen Schaden anrichten, sondern nur zu Unterhaltungszwecken erdacht wurden. Weiterführende Impulse bekommt ihr diesen Monat aus dem Militärhistorischen Museum Dresden, das für euch ein Bildplakat mit einem Porträt Adolf Hitlers ausgewählt hat. Wir freuen uns auf eure Gedichte und wünschen euch viel Spaß beim (Bedichten von) Lügen!

Actus robustus

Asmus Trautsch

Lügen — ohne Verdeck fast ohne
Widerstand — in Worten, Bildern, Zahlen:
Lügen und Überführung. Lügen.

So können sie ihre Nachweise fressen
sich vermehren zu Silicium in Wüsten:
wertvoll oder -los: kaum zu unterscheiden.

Lügen ohne Arkandisziplin türmen
sich, reinigen die Macht, bis sie alle
Gründe schluckt, ohne Gegenüber: gilt.

Oder werden Lügen übermüd wie Teiche
kippen? Lange würde es übel riechen
aus sprachlos schämenden Mündern.

Die Lüge brüllt. Sie übt nicht, sie
müllt. Durch Zeichen. Müll über Müll
über die Allmende des Bewusstseins.

Ihn einsammeln, recyceln: Stile entwickeln
die Vertrauen wecken, halten. Würde spüren.
Zusammentun für Triebfederreparaturen.

 

aus:  Asmus Trautsch, CAIRD, Verlagshaus Berlin 2021

Kennt ihr die Geschichten vom Lügenbaron von Münchhausen? Oder wer kommt euch in den Sinn, wenn ihr an Lügen im großen Stil denkt? „Die Lüge brüllt“ heißt unser Thema im Juni und dementsprechend möchten wir uns den lauten, ganz offensichtlichen Lügen widmen. Das können Erfindungen, Fantastisches und Fiktionen sein, so wie sie auch von Autor*innen erdacht werden, genauso gut könnt ihr euch aber auch den Lügen widmen, die uns ganz real zur Gefahr werden können oder schon geworden sind. Politische Systeme, die auf Lügen aufgebaut sind oder waren und großes Leid über viele Menschen gebracht haben und immer noch bringen. Fake News, die sich rasend schnell über Soziale Medien verbreiten oder der Begriff „Lügenpresse“, der vorwiegend von rechtspopulistischen Kreisen verwendet wird – all dies können Schlagworte für die Auseinandersetzung mit dem Thema in euren Gedichten sein. Vom Großen könnt ihr es natürlich auch herunterbrechen auf die ganz persönliche Ebene: Vielleicht habt ihr auch Lust von einem Verrat, einem Betrug zu schreiben.

Eure Texte können dabei ganz offenlassen, wie man den „brüllenden“ Lügen begegnen soll oder kann – oder ihr wagt einen Ausblick. Wie könnte man mit zum Himmel schreienden Lügen umgehen? Asmus Trautsch liefert in seinem Text einen gemeinschaftlichen Ansatz: „Ihn einsammeln, recyceln: Stile entwickeln“.

Wir freuen uns auf eure Gedichte im Juni! Schreibt uns von euren „brüllenden Lügen“! Welche Art von Lüge kommt euch dabei in den Sinn? Lügen, die die ganze Gesellschaft betreffen und zur Gefahr für das Leben werden können? Oder schwerwiegende Lügen im Verhältnis zweier Menschen? Eurer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt!

Asmus Trautsch

geboren in Kiel, lebt als Philosoph und Dichter in Berlin. Er studierte Philosophie, deutsche Literatur und Komposition/Musiktheorie in Berlin und London und promovierte in Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Asmus Trautsch hat an verschiedenen Hochschulen Philosophie und kreatives Schreiben unterrichtet und veröffentlicht Dichtung, philosophische Texte und Essays. Neben seiner Tätigkeit als Autor und Dozent arbeitet er als Projektleiter, Moderator und Komponist und leitet die Akademie für Lyrikkritik am Haus für Poesie. Im Verlagshaus Berlin hat er seit 2013 die Edition Poeticon herausgegeben. Stipendien und Auszeichnungen brachten ihn u.a. an die Columbia University New York, das Allegheny College Meadville, die Akademie Schloss Solitude, das Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf und die Autorenresidenz in Novo Mesto, Slowenien. Asmus Trautschs Lyrik ist in zahlreichen Anthologien und Zeitschriften veröffentlicht. Im Verlagshaus Berlin erschienen die Gedichtbände Treibbojen und Caird.

Asmus Trautsch, Foto: Charlotte Werndt

lyrix im Museum

Als weiteren Impuls zum Thema „Die Lüge brüllt“ möchten wir euch ein Plakat mit einem Porträt Adolf Hitlers aus dem Jahr 1934 vorstellen, das für die Zustimmung zu einer Volksabstimmung warb. Es hängt im Militärhistorischen Museum Dresden, das unser Partner im Juni ist. Asmus Trautsch wird in den Räumen des Museums eine Schreibwerkstatt für Schüler*innen der Region zu seinem Monatsthema durchführen.

Bildplakat, 1934, Foto: MHM

Bildplakat „Ja, Führer! Wir folgen Dir!“

Das große Bildplakat aus dem Jahr 1934 hat ungefähr das Format DIN A1. Es setzt sich aus einer Fotomontage zweier Bilder sowie einem Schriftzug zusammen. Fast die gesamte linke Hälfte des Bildvordergrundes füllt ein Porträt Adolf Hitlers aus, der in energischer Pose mit eingestütztem rechten Arm und zur Faust geballter linker Hand fotografiert wurde. Er trägt unter einem Mantel die NSDAP-Parteiuniform, daran sein im Ersten Weltkrieg verliehenes Eisernes Kreuz 1. Klasse sowie das Verwundetenabzeichen. Den kompletten Bildhintergrund füllt eine dicht gedrängt stehende Menschenmasse aus. Der Bildausschnitt ist so gewählt, dass die Menschenmasse sich jenseits der Bildränder weiter auszudehnen scheint. Die Menschen haben den rechten Arm zum sogenannten „Deutschen Gruß“ erhoben, einige Münder stehen offen – die Menschen scheinen zu rufen oder zu lachen. Sie blicken mit begeisterten Gesichtern nach oben in die Kamera, während Hitlers Blick durch eine leichte Drehung des Kopfes aus dem Bild heraus in die Ferne gerichtet ist.

In großen roten Lettern hebt sich der Schriftzug „Ja! Führer wir folgen Dir!“ vom schwarz-weißen Hintergrund ab. Mit diesem Slogan warb das Plakat für die Zustimmung zur Volksabstimmung am 19.8.1934, in der Hitler sich die Vereinigung der Ämter von Reichskanzler und Reichspräsident auf seine Person durch das deutsche Volk bestätigen ließ.

Der Abstimmung ging eine intensive Propaganda voraus, welche vom Ministerium für Propaganda und Volksaufklärung sowie der Reichspropagandaleitung der NSDAP in München, beides unter Leitung Joseph Goebbels, organisiert wurde. Diese gab das Plakat heraus, welches ein Beispiel für die äußerst wirkungsvolle nationalsozialistische Propaganda darstellt, die auf die Emotionen der Betrachter zielt. Die Bildsprache des Plakates verbindet zwei zentrale propagandistische, ständig wiederholte Kategorien der Nationalsozialisten:  Führerkult und „Volksgemeinschaft“. Heute befindet sich das Plakat in vielen Museen und Archiven. Im Militärhistorischen Museum wird es in der Dauerausstellung im 2. Obergeschoss, im Bereich „Politik und Gewalt“ gezeigt.

Heinrich Hoffmann

Das Porträt Hitlers fertigte Heinrich Hoffmann (1885-1957) an. Hoffmann war Presse- und Porträtfotograf. 1920 trat er in die NSDAP ein und wurde bekannt als „Hitlers Fotograf“. Ein Foto, das aus der gleichen Serie wie das im Plakat verwendete Porträt stammt, erschien u.a. als Zigarettensammelbild in den Bänden „Deutschland erwacht. Werden, Kampf und Sieg der NSDAP“ oder „Kampf um’s Dritte Reich. Eine historische Bilderfolge“. In seinem Verlag gab Hoffmann Fotobildbände wie „Hitler. Wie ihn keiner kennt. 100 Bilddokumente aus dem Leben des Führers“ heraus. Damit verdiente er Millionen und trug entscheidend zur Etablierung des Führerkultes um Adolf Hitler bei. 1937 beauftragte Hitler ihn, die Kunstwerke für die „Große Deutsche Kunstausstellung“ auszuwählen und ernannte ihn zum Professor. Als Mitglied der Kommission zur „Verwertung der beschlagnahmten Werke entarteter Kunst“ war er maßgeblich für nationalsozialistischen Kunstraub verantwortlich. 1947 wurde er in München im Entnazifizierungsverfahren als Hauptschuldiger (Gruppe 1) eingestuft.

GEWALT KULTUR GESCHICHTE im Militärhistorischen Museum

Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden gehört zu den bedeutendsten Geschichtsmuseen Europas. Im Zentrum der Ausstellung stehen der Mensch und die Frage nach den Ursachen und Folgen von Krieg und Gewalt. Unterschiedliche Standpunkte, Sichtweisen und Schicksale spiegeln sich in den über 10.000 Exponaten der Ausstellung. Sie bezeugen bewegende Geschichten von 1300 bis heute und bilden wichtige Bausteine zu einer Kulturgeschichte der Gewalt. Ausgestellt werden sie in einer atemberaubenden Architektur. Der amerikanische Stararchitekt Daniel Libeskind erweiterte 2011 das alte Arsenalgebäude in der Dresdner Albertstadt um einen herausragenden Keil. Damit wird symbolisch an die Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg erinnert. Zugleich durchbricht der einzigartige Neubau Libeskinds die einschüchternde Fassade des historischen Militärbaus aus dem 19. Jahrhundert. Licht- und Schattenstrukturen verweisen dabei auf die wechselvolle deutsche Militärgeschichte.

Die Altbauflügel beherbergen einen zeitlich ausgerichteten Rundgang durch deutsche Militärgeschichte vom Spätmittelalter bis heute. Museumspädagogische Stationen bieten dabei neuartige Zugänge zur Geschichte. So wird zum Beispiel durch eine Arbeit der Duftkünstlerin Sissel Tolaas der Geruch von Verwesung und Schlamm in den Grabenkämpfen des Ersten Weltkriegs erlebbar. Im Neubau erwartet die Besucherinnen und Besucher ein thematischer Querschnitt durch die deutsche Militärgeschichte. Hier werden unterschiedliche und überraschende Aspekte zu ausgesuchten Themen präsentiert, wie beispielsweise „Krieg und Spiel“ oder „Militär und Sprache“. Kunstinstallationen ergänzen die Ausstellung und hinterlassen bleibende Eindrücke. Zum Beispiel „Love and Hate“ von Charles Sandison oder „The Hiroshima Thank You Instrument“ von Ingo Günther interagieren mit den Betrachtern und lassen sie sogar Teil des Kunstwerks werden.

Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr möchte Denkräume öffnen. Es versteht sich als ein Forum für die Auseinandersetzung mit Militärgeschichte, für den Diskurs über die Rolle von Krieg und Militär in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

mhmbw.de

MHM, Foto: Nick Hufton

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