wie meere magnetisch

Die Jury hat entschieden!

Zu den Gewinner*innen

DAYS HOURS, MINUTES, und  SECS
[[deadline:2021-08-31 24:00:00]]

Wettbewerb im August 2021

Um die Anziehungskraft des Meeres und das offensichtlich Unausgesprochene geht es bei lyrix im August. Wie passt das zusammen? “wie meere magnetisch” heißt unser Thema diesen Monat. Die Zeile stammt aus einem Gedicht der Lyrikerin Andra Schwarz, das viel Raum zum eigenen (Weiter-)Dichten bietet. Ergänzend stellen wir euch eine Arbeit von Carlfriedrich Claus, einem der Mitbegründer der visuellen Poesie, vor, die in den Kunstsammlungen Chemnitz zu sehen ist. Viel Spaß beim Dichten!

[Ich liege da] aus dem Zyklus „Elephant in the room“

Andra Schwarz

***

Ich liege da wo unsere köpfe siedeln in träumen vom süden am flussufer
zwischen krokodilen bekomme panik verwandel sie in flüchtende schwärme
spatzen jagen am horizont in wogenden wellen richten sich aus nach den sternen
wie meere magnetisch kommen zurück als fliegen schleier halb durchsichtig
trauerfahnen flaggen auf halbmast berichten von seuchen miseren angst
mein kreislauf wehrt sich dagegen irrt durch attrappen die ich ihm gebe
meine scham vernarbt wie sein wesen im laken sein restliches gewicht

Aus dem titellosen Gedicht von Andra Schwarz haben wir uns den Vergleich „wie meere magnetisch“ als Monatsthema ausgesucht. Wie der gesamte Text wirkt auch dieser Teil sehr geheimnisvoll. Was ist ein magnetisches Meer? Auf wen bezieht sich der Vergleich? Zumindest auf die zweite Frage scheint es eine Antwort zu geben: „wie meere magnetisch“ bezieht sich auf den Flug von Spatzen – „spatzen jagen am horizont […] richten sich aus nach den sternen“. Doch auch dieses Bild bleibt voller Ambivalenzen. Der ganze Text ist im Fluss, passend zum Motiv des Wassers und es scheint als würde etwas Unausgesprochenes die Szene bestimmen. Entsprechend lohnt es, einen Blick auf den Titel des Zyklus zu werfen, in dem das Gedicht steht: „Elephant in the room“. Diese englische Redewendung über etwas Unübersehbares in einem Raum, das dennoch nicht thematisiert wird, kann auch als Annäherung an den Text herangezogen werden. Was fällt euch dazu ein?

Schickt uns im August eure Texte zum Thema „wie meere magnetisch“. Schreibt Gedichte über Anziehungskraft, darüber, wie magnetische Meere aussehen könnten, über erdachte Räume und Landschaften, über das Unausgesprochene, das doch offensichtlich ist. Wir freuen uns auf eure Texte und wünschen euch einen sonnigen August!

Andra Schwarz
wurde 1982 in der Oberlausitz geboren und lebt in Leipzig. Sie studierte von 2013 bis 2017 Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut und gewann 2015 den Lyrikpreis beim open mike und 2017 den Leonce-und-Lena Preis beim Literarischen März in Darmstadt. Ihr Debütband „Am morgen sind wir aus glas“ (Poetenladen, 2017) erscheint 2021 in der englischsprachigen Übersetzung von Caroline Wilcox-Reul bei Zephyr-Press in den USA. Sie erhielt u. a. ein Stipendium der Kulturstiftung Sachsen, des Goetheinstituts Prag und des Museumsquartiers Wien. Ihre Gedichte erschienen zuletzt in den Literaturzeitschriften Mosaik, Konzepte, Jenny und Transistor – Zeitschrift für zeitgenössische Lyrik.

Andra Schwarz, Foto: Ildiko Sebestyen

lyrix im Museum

Als weiteren Impuls zum Thema „wie meere magnetisch“ möchten wir euch ein sogenanntes „Sprachblatt“ von Carlfriedrich Claus vorstellen, das in den Kunstsammlungen Chemnitz zu sehen ist – unserem Partnermuseum im August 2021. Andra Schwarz wird dort am 27. August zu ihrem lyrix-Monatsthema eine Schreibwerkstatt für Schüler*innen der Region durchführen, s. dazu auch  auf Events – Lyrix (bundeswettbewerb-lyrix.de)

Carlfriedrich Claus, Erster versuchender doppelseitiger Schreibakt, 1961
Feder, Tusche beidseitig auf Seidenpapier, gefalzt 20,5 x 13,2 cm Kunstsammlungen Chemnitz – Stiftung Carlfriedrich Claus-Archiv © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Carlfriedrich Claus
Erster versuchender doppelseitiger Schreibakt, 1961
Feder, Tusche beidseitig auf Seidenpapier, gefalzt
20,5 x 13,2 cm

Kunstsammlungen Chemnitz, Stiftung Carlfriedrich Claus-Archiv / VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Carlfriedrich Claus (1930–1998) gilt als einer der Mitbegründer der visuellen Poesie und wird heute international hoch geschätzt. Er schuf kleinformatige, filigrane Arbeiten auf Transparentpapieren, die er beidseitig dicht bezeichnete und beschrieb, sodass die Linien Netze und Überlagerungen bilden und Figuren oder Landschaften ahnen lassen. Nicht lesbar im eigentlichen Sinne des Wortes, betrachtete Carlfriedrich Claus selbst diese Blätter, die er Sprachblätter nannte, als ein Randgebiet der Literatur. Parallel dazu entstand ein akustisches Werk asemantischer Lautprozesse, die er auf Tonträgern speicherte. Innerhalb der vorgegebenen Grenzen sozialistischer Kunst fand sich für dieses hochkomplexe Werk kein Platz, sodass ihm in der DDR eine öffentliche Resonanz weitgehend versagt blieb. Bereits zu Lebzeiten hatte der Künstler verfügt, dass sein Nachlass in den Kunstsammlungen Chemnitz einen bleibenden Platz finden soll. Das Carlfriedrich Claus-Archiv bewahrt 575 Handzeichnungen und rund 850 Druckgrafiken und Zustandsdrucke des Künstlers sowie Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern, die mit Carlfriedrich Claus befreundet waren – unter ihnen Willy Baumeister und Gerhard Altenbourg.

Die Arbeiten von Carlfriedrich Claus sind zurzeit in der Ausstellung “Nähe und Distanz. Carlfriedrich Claus und Gerhard Altenbourg im Dialog” in den Kunstsammlungen Chemnitz zu sehen:

kunstsammlungen-chemnitz.de/ausstellungen/carlfriedrich-claus-and-gerhard-altenbourg-in-dialogue/

Kunstsammlungen Chemnitz, Foto: Bertram Kober

Kunstsammlungen Chemnitz


Die Kunstsammlungen am Theaterplatz zählen heute zu den großen bürgerlichen Sammlungen Deutschlands und beherbergen alle Gattungen der künstlerischen Produktion, von der Malerei und Plastik über die Grafik bis hin zum Kunsthandwerk mit einem wichtigen Schwerpunkt auf Expressionismus, Textil und Gegenwartskunst.

Zu den signifikantesten Sammlungsbeständen zählen die Romantik und vor allem der Expressionismus der Brücke-Künstler, mit einem großen Konvolut von Werken von Karl Schmidt-Rottluff – er stammt aus Chemnitz und ist mit Ernst Ludwig Kirchner und Ernst Heckel hier aufgewachsen. Auch von diesen beiden Künstlern befinden sich herausragende Arbeiten in den Kunstsammlungen am Theaterplatz. Die Malerei umfasst aber auch zahlreiche Werke von Künstler:innen wie Caspar David Friedrich, Max Slevogt, Lovis Corinth, Helene Funke, Louise Seidler, Edvard Munch und Georg Baselitz.

Im Bestand der Skulpturen befinden sich unter anderem Arbeiten von Edgar Degas, Aristide Maillol und Tony Cragg. Die Grafische Sammlung besitzt rund 28.000 Arbeiten auf Papier, darunter herausragende Konvolute von Lyonel Feininger, Honoré Daumier, Käthe Kollwitz und Wolfgang Mattheuer. Hervorzuheben sind darüber hinaus die Kunstgewerbe- und die Textilsammlung. Die kunsthistorische Fachbibliothek ist öffentlich zugänglich und umfasst mehr als 90.000 Einheiten.

Ein Höhepunkt ist das Einzelarchiv des vollständigen Nachlasses von Carlfriedrich Claus. Claus ist ein bedeutender Repräsentant einer internationalen Kunstentwicklung, die als »Zweite Moderne« um 1960 einsetzte. Das Archiv umfasst die Sprachblätter und Lautprozesse des Künstlers, außerdem Werke von Künstlerfreunden sowie Manuskripte, Tagebücher, Briefe, Fotografien und seine Bibliothek.

kunstsammlungen-chemnitz.de

Weiterführendes: Videos

Lesung Gedicht und Schreibimpulse von und mit Andra Schwarz

Schreibe, um zu träumen.