Fake thoughts

Die Jury hat entschieden!

Zu den Gewinner*innen

DAYS HOURS, MINUTES, und  SECS
[[deadline:2021-09-30 24:00:00]]

Wettbewerb im September 2021

Unser erstes Thema in zweifacher Ausführung! Ab sofort gibt es den lyrix-Wettbewerb für zwei Altersgruppen: 10 bis 14 und 15 bis 20 Jahre! Am Prinzip ändert sich nichts. Ihr könnt weiterhin jeden Monat einen Text zu einem bestimmten Thema einreichen und unsere Monatsjury wählt 6 Gewinner*innentexte aus allen Einsendungen aus. Hier seid ihr beim aktuellen Thema für die 15- bis 20-Jährigen! Es heißt “Fake thoughts” und ist inspiriert von einem Gedicht des Lyrikers Martin Piekar. Auch ein vermeintlich alter Fußball, der im Stadtmuseum Trier zu sehen ist, spielt eine Rolle. Wir freuen uns auf eure Gedichte!

Zugegebenermaßen: Was ein Fußball aus Stein mit einem Gedicht über einen Computervirus im Hirn zu tun hat, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Wir möchten euch beides in diesem Monat vorstellen, um über „Fake Thoughts“ nachzudenken – unser Thema im September 2021.

Der Ball, den ihr rechts seht, ist erst einmal relativ unspektakulär. Ein antiker Fußball eben, aus dem Jahr 406 nach Christus, steht ja dort auf dem Objektschild im Stadtmuseum Trier. Erst beim zweiten Blick stockt man und denkt sich „Moment mal, das kann ja gar nicht sein.“ Und genau so ist es auch: Der Ball ist kein antikes Objekt, sondern wurde 2006 anlässlich der Fußballweltmeisterschaft von seinem Künstler Claus Bach so bearbeitet, dass er besonders alt wirkt. Durch seine klassische Präsentation auf einem Sockel in einem Museum nimmt man nicht unmittelbar wahr, dass man hier einer Fälschung aufsitzt. Ein guter Aufhänger also, um unsere Seh- und Wahrnehmungsgewohnheiten zu hinterfragen.

Um den Bogen noch größer zu spannen, möchten wir euch nun den titellosen Text des Lyrikers Martin Piekar vorstellen, den ihr weiter unten in Gänze lesen könnt. Dort heißt es „ich glaube, ich habe einen computervirus / entschuldigung, entschuldigung, ich habe sie nicht verstanden“. Das Gedicht spannt den Bogen zwischen Bewusstseins- und Gedankenströmen im Gehirn und der digitalen Welt mit selbstlernenden Künstlichen Intelligenzen und Virenbefall. Wer spricht hier? Eine menschliche oder eine künstliche Stimme?

Installation zur Fußballweltmeisterschaft 2006, Weimar 2006, Inv. Nr. II 0306, Stadtmuseum Simeonstift Trier , Copyright: Stadtmuseum Siemonstift Trier

Schickt uns im September eure Gedichte zum Thema „Fake Thoughts“. Denkt dabei in Richtung antiker Fußball: Wie und wodurch könnt ihr mit unseren Seh- und Wahrnehmungsgewohnheiten spielen? Oder setzt euch mit „gefälschten“ Gedanken in eurem Kopf auseinander. Habt ihr manchmal das Gefühl, ein Computervirus hat sich in euer Denken geschlichen? Könnt ihr euch einen Gedankenstrom einer Künstlichen Intelligenz vorstellen oder ein Gespräch mit ihr? Wir sind gespannt auf eure Interpretation des Themas!

Neu bei lyrix: Ab sofort gibt es jeden Monat gleich zwei Monatsthemen, eins für 10- bis 14-Jährige und eins für 15 – 20-Jährige. Die Einsendungen werden separat bewertet und künftig präsentieren wir euch zu jedem Thema nicht mehr 6, sondern 12 Monatsgewinner*innen – 6 aus jeder Altersgruppe!

[ich trage grelle kopfschmerzen]

Martin Piekar

ich trage grelle kopfschmerzen, trage sie umher
& kann sie doch nicht finden, diese epizentren
müssen es sein, die mich immer wieder auslösen
heraus aus einem netzwerk in ein isolationsnetz
ich glaube, ich habe einen computervirus
entschuldigung, entschuldigung, ich habe sie nicht verstanden 
ich trage diese kopfschmerzen wie einen bienenstock 
ich weiß gar nicht, wo all dieser nektar herkommt 
ich glaube, ich habe die k.i. von facebook gefunden, jene 
die gelöscht wurde, weil sie eine geheimsprache  
an facebook vorbei entwickelt hat; jetzt sitzt sie  
hinter meinem stammhirn & produziert diesen 
vitalen zweifel, ich kann sie immer wieder sagen hören  
entschuldigung, entschuldigung, ich habe sie nicht verstanden

Weiterführende Informationen

Martin Piekar
1990 geboren, studierte in Frankfurt am Main Philosophie und Geschichte auf Lehramt. Seit über elf Jahren erhält er Preise und Stipendien, darunter den Lyrikpreis beim 20. open mike (2012), den Jurypreis des Irseer Pegasus (2018) und den Alfred-Gruber-Preis in Meran (2018).
Sein erster Gedichtband „Bastard Echo” erschien im Frühjahr 2014 beim Verlagshaus Berlin und liegt in zweiter Auflage vor. 2016 erschien gemeinsam mit Jan Kuhlbrodt „Überschreibungen” im Verlagshaus Berlin. 2018 folgte sein zweiter Gedichtband „AmokperVers”. Er arbeitet an seinem dritten Gedichtband „livestream & schizofrenia – ein spazier” sowie an seinem Romanprojekt „Vom Fällen eines Stammbaums”.

Martin Piekar, Foto: privat

Claus Bach
Installation zur Fußballweltmeisterschaft 2006, Weimar 2006, Inv. Nr. II 0306, Stadtmuseum Simeonstift Trier

Zwischen mittelalterlichen Tontöpfen, spätantiken Münzen und weiteren archäologischen Fundstücken findet sich ein ganz besonderes Exponat. Auf einem schwarzen Sockel mit einem bronzefarbenen Beschriftungsschild präsentiert das Stadtmuseum einen antiken Fußball. Unter der dicken Sandschicht sind die typischen fünfeckigen Felder des aus Leder gefertigten Balls zu erkennen. Auf dem Schild steht zu lesen: „Fundort Trier, Domfreihof, etwa 406 n. Chr.“ Eine wahre Sensation. Dieses Relikt beweist: bereits vor über 2000 Jahren spielte man in Trier Fußball. Denn museale Objekte, mit einem Objektschild versehen, sind Beweisstücke wissenschaftlicher Forschung.

Doch kann man diesem Objekt wirklich trauen?

Nein. Hierbei handelt es sich um ein Objekt, das mit den Seh- und Wahrnehmungsgewohnheiten des Museumsbesuchers spielt. Im Jahr 2006 schuf der Künstler Claus Bach diese Installation anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006. Ein zeitgenössischer Fußball wurde mit einer Mischung aus Sand, Farbe und einem Haftmittel so bearbeitet, dass er eine „antike“ Patina erhielt. Durch die klassische Präsentation auf einem Sockel mit einem Objektschild im Museum ist das Objekt zunächst über jeden wissenschaftlichen Zweifel erhaben.  Der Betrachter nimmt es als das wahr, was es vorgibt zu sein. Erst auf den zweiten Blick erkennt er das Artefakt als Fälschung. Diese künstlerische Intervention in die stadtgeschichtliche Dauerausstellung des Stadtmuseum Simeonstift stört den musealen und wissenschaftlichen Kontext in ähnlicher Weise, wie ein Virus die Funktionsweise eines Computers stört.

Das Referenzobjekt ist Teil des Projektes „Fundobjekte“ und ist seit 2006 Teil der Sammlung des Stadtmuseums Simeonstift Trier.

Claus Bach, Foto: privat

Claus Bach
Claus Bach wurde 1956 in Schneeberg im Erzgebirge geboren und lebt als Fotograf, Künstler und Autor in Weimar. Neben seiner professionellen Arbeit ist er bekannt als Dokumentator der Untergrundkultur der DDR sowie für seine freien künstlerischen Arbeiten. In Trier war er an der Europäischen Kunstakademie als Dozent tätig und setzte mehrere Kunstprojekte um, u.a. das Projekt “Fundobjekte” im Jahr 2006, ein Ausstellungsprojekt der Universität Trier, “Generator”, im Jahr 2015 und “Wir sind Marx” anlässlich des 200. Jubiläums zu Karl Marx.

Stadtmuseum Trier
Das Trierer Stadtmuseum befindet sich im romanischen Simeonstift, direkt neben der Porta Nigra. In der Dauerausstellung sind Kunst- und Kulturschätze vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert zu finden, deren Grundstock aus bedeutenden Schenkungen bekannter Trierer Bürger hervorging. Entsprechend vielfältig sind die Sammlungsbereiche, die sich in Gemälde, Skulpturen, Kunsthandwerk, koptische Textilien, Möbel und ostasiatische Kleinplastik gliedern.

Die rund 900 Objekte sind auf 2000 m² Ausstellungsfläche zu sehen.

Modelle, interaktive Bereiche und ein breites multimediales Angebot von rund 40 Medienpräsentationen in Form von Filmen, Bildfolgen und Hörstationen ergänzen den Besuch.

Regelmäßig wechselnde Sonderausstellungen widmen sich Trierer Künstlern oder mit dieser Stadt verbundenen historischen und zeitgenössischen Themen.
www.museum-trier.de

Blick auf das Stadtmuseum Simeonstift und den Kreuzgang von Westen, Foto: Thomas Riehle

Videos

Lesung Gedicht und Schreibimpulse von und mit Martin Piekar

Schreibe, um zu träumen.