ein faden führt

Die Jury hat entschieden!

Zu den Gewinner*innen

DAYS HOURS, MINUTES, und  SECS
[[deadline:2023-05-31 24:00:00]]

Wettbewerb im Mai 2023

Das Paar dreckige Turnschuhe im Flur, ein Brotkrümel auf dem Esstisch, eine achtlos weggeworfene Getränkedose auf dem Weg zur Schule – diesen Monat möchten wir mit euch Gegenstände aus dem Alltag in ein ganz neues Licht rücken und ihnen ein Gedicht widmen. Wir rufen euch im Mai auf, einen Gegenstand auszusuchen, dem ihr bisher noch nie besondere Aufmerksamkeit geschenkt habt, und ihm ein Gedicht zu schenken. Vielleicht seht ihr ihn danach mit ganz anderen Augen?

Wir sind jeden Tag von so vielen Dingen umgeben, klein oder groß, die uns im Alltag helfen, uns begleiten, ganz selbstverständlich dazugehören und uns gar nicht (mehr) richtig auffallen. Schaut euch doch einmal ganz bewusst um, in der Küche, in eurem Zimmer, im Bad, in eurer Stadt, im Bus. Bleibt euer Blick an einem Gegenstand hängen? Betrachtet ihn ganz genau und schreibt alles auf, was euch dazu einfällt. Vielleicht entdeckt ihr dabei etwas Erstaunliches, vielleicht erinnert euch der Gegenstand an etwas oder jemanden oder vielleicht möchtet ihr ihm auch Leben einhauchen und ihn sprechen lassen?

Der Schweizer Produktgestalter Franco Clivio hat sein Leben lang Alltagsgegenstände gesammelt. Diese werden aktuell in der Ausstellung „No Name Design“ im HfG-Archiv Ulm präsentiert (mehr Infos findet ihr weiter unten). Bestimmt haben sich die wenigsten von uns bisher gefragt, wer diese nützlichen und oft auch schönen Dinge, die wir tagtäglich benutzen, überhaupt erfunden hat. Und genau darauf möchte Franco Clivio aufmerksam machen: Wir können all diese Alltagsgegenstände ruhig mal ein bisschen feiern und uns bewusst machen, wie raffiniert und besonders sie sind.

Dies hat auch der Autor und Übersetzer Jan Wagner gemacht: Er hat sich bewusst in seiner Umgebung umgeschaut und so ist sein Blick auf einen benutzten Teebeutel in der Spüle gefallen. Das hat er zum Anlass genommen, so lange über diesen Teebeutel nachzudenken, bis er ihn mit ganz neuen Augen gesehen hat. Seine Gedanken hat er im Gedicht „teebeutel” zu Papier gebracht. Und so wurde aus einem eher langweiligen Teebeutel plötzlich ein „kleiner eremit”, aus dessen „höhle” ein „faden […] nach oben [führt].

Franco Clivio, No Name Design (Einteilige Teile), Foto: Hans Hansen
Franco Clivio, No Name Design (Nicht gleich aber ähnlich), Foto: Hans Hansen

Habt ihr Lust, es auch einmal auszuprobieren? Sucht euch einen Gegenstand aus eurem Alltag. Schaut euch ganz genau um. Woran bleibt euer Blick hängen? Vielleicht ist es etwas ganz Banales, Langweiliges, über das ihr euch noch nie Gedanken gemacht habt. Sammelt alles, was euch dazu einfällt und schreibt aus euren Stichpunkten ein Gedicht. Ihr könnt den Gegenstand ganz genau beschreiben, ihn in eine vollkommen andere Umgebung versetzen oder ihm sogar eine Stimme geben und die Welt aus seiner Sicht beschreiben. Was passiert, wenn ihr etwas so Alltägliches, Nebensächliches in den Mittelpunkt rückt? Verändert es eure Sicht auf diesen Gegenstand?

teebeutel

Jan Wagner

I

nur in sackleinen
gehüllt. kleiner eremit
in seiner höhle.


II

nichts als ein faden
führt nach oben. wir geben
ihm fünf minuten.

aus: Jan Wagner, Selbstporträt mit Bienenschwarm
© 2016 Hanser Berlin in der Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, München

Weiterführende Informationen

Jan Wagner, Foto: Alberto Novelli-Villa Massimo

Jan Wagner
Geb. 1971 in Hamburg, lebt als Lyriker, Übersetzer englischer Lyrik und Essayist in Berlin. Neben Gedichtbänden – darunter Regentonnenvariationen (2014), Selbstporträt mit Bienenschwarm. Ausgewählte Gedichte (2016) sowie Die Live Butterfly Show (2018) (alle im Hanser Verlag Berlin) – veröffentlichte er die Essaysammlungen Die Sandale des Propheten (Berlin Verlag 2011), Der verschlossene Raum (Hanser Berlin 2016) und Der glückliche Augenblick (Hanser Berlin 2021). Er erhielt u.a. den Preis der Leipziger Buchmesse (2015) und den Georg-Büchner-Preis (2017).

Videos zum Monatsthema

Lesung Monatsgedicht und Schreibimpulse von und mit Jan Wagner

Ausstellung
No Name Design
im HfG-Archiv/Museum Ulm
11. Februar 2023 – 21. Mai 2023

Der Produktgestalter und Dozent Franco Clivio hat rund 1000 zumeist kleine Objekte aus dem täglichen Gebrauch gesammelt und präsentiert diese nun in einer Ausstellung. Was diese Dinge vereint, sind ihre raffinierte Gestaltung und Funktionalität, die auf einer besonderen Idee und Konstruktion beruhen. Von den wenigsten ist bekannt, wer sie erfunden oder entworfen hat. Sie gehören zum anonymen Alltagsdesign und sind nicht Teil der offiziell zelebrierten Designkultur.

Franco Clivio wurde 1942 geboren und studierte von 1963 bis 1967 an der Ulmer Hochschule für Gestaltung. Noch während seines Studium begann er mit seiner Entwurfstätigkeit für den Gartengerätehersteller Gardena. Später arbeitete er für den Leuchtenhersteller Erco sowie für die Firma Lamy

Nach diversen Lehraufträgen in Deutschland, den USA, Finnland und Italien lehrte er von 1980 bis 2002 als Dozent an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich und der Università IUAV di Venezia.

Er erhielt u.a. den Eidgenössischer Preis für Design sowie den Designpreis der Bundesrepublik Deutschland.
museumlm.de

Ausstellungsplakat „No Name Design“ HFG-Archiv

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