weiß gott noch kein weihnachtswunder

Die Jury hat entschieden!

Zu den Gewinner*innen

DAYS HOURS, MINUTES, und  SECS
[[deadline:2020-12-31 24:00:00]]

Wettbewerb im Dezember 2020

Seid ihr schon in Weihnachtsstimmung? Oder kommt sie – besonders nach diesem Jahr – nicht so recht auf? „weiß gott noch kein weihnachtswunder“ heißt unser Thema im Dezember. Inspiration liefert das Gedicht „advent (advent)“ von Temye Tesfu. Wir freuen uns auf eure Interpretationen in Gedichtform und wünschen euch einen versöhnlichen Jahresausklang!

advent (advent)

ተመስገን ተስፉ (Temye Tesfu)

11.09.2020

dochte verbrennen noch keine; doch nicht mehr lang
und aushilfskräfte räumen plätzchen in marktregale
lebkuchenherzen und floskeln ~mit Kakaoglasur~

in der nachbarschaft brechen christbaumkugeln
durch die zwischenräume lamettaloser zäune.
leckgeschlagene schlitten stürzen vom himmel.

sankt martin schürft sein schwert durch den sand.
einsatzkräfte räumen plätze. der markt regelt. alles.
ein kinderchor indes (zu besetzende stellen: 150)

singt mit so anrührender unschuld dass die angst
vor den dunklen tagen schmilzt wie pvc-planen
fürchtet euch nicht: gegenwert und zukunft

sind abgewogen worden in aller gründlichkeit
nur macht das bisschen aschfahler schnee allein
halt weiß gott noch kein weihnachtswunder

Unser letztes Thema im Jahr ist gleichzeitig die Schlusszeile in Temye Tesfus Gedicht „advent (advent)“. Da ist ganz weihnachtsgemäß von Lebkuchenherzen und Lametta die Rede, von Kinderchor und Schnee. Doch so recht will keine Weihnachtsstimmung aufkommen. Als Leser*in bleibt man ernüchtert zurück.

„nur macht das bisschen aschfahler schnee allein / halt weiß gott noch kein weihnachtswunder“, heißt es bei Tesfu. Die gängigen Klischees reichen eben nicht für ein Wunder. Hinter der glitzernden und duftenden Weihnachtsfassade bleiben sie, die Probleme, und hallen – wie der Titel des Gedichts – wider. Tesfu spielt mit Worten, nutzt Doppeldeutigkeiten, um idyllische Weihnachtsbilder umzukehren.

Schickt uns im Dezember eure Gedichte zum Thema „weiß gott noch kein weihnachtswunder“! Spielt mit Bildern, die wir mit Weihnachten verbinden. Passen sie (noch) zu unserer Aktualität? Können sie uns versöhnlich stimmen, bringen sie uns näher zusammen? Oder stehen sie in krassem Kontrast zu den Problemen unserer Zeit und kurbeln nur die Geldmaschine unserer Konsumgesellschaft an? Schreibt uns von euren „Weihnachtswundern“! Wir sind gespannt auf eure Texte!

Weiterführende Informationen

ተመስገን ተስፉ (Temye Tesfu)
schreibt Gedichte und andere Texte für Bühne und Papier. Auftritte im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus; mal vor vier, mal vor 4000 Leuten. Kuratiert und moderiert Literaturveranstaltungen in Potsdam, Berlin und Leipzig. Leitet Werkstätten für kreatives Schreiben und Textperformance, in der Vergangenheit z.B. für die Heinrich-Böll-Stiftung, die Jugendpresse Deutschland oder das Goethe-Institut. Ist Gründungsmitglied des Künstlerʾinnenkollektivs parallelgesellschaft sowie der gleichnamigen Lesebühne, die sich als Mischung aus Lesung, Konzert, Stand-Up-Show und Polit-Talk beschreiben lässt. Lebt und arbeitet.

Temye Tesfu, Foto: Valerio Moser

lyrix zu Gast im Museum

Im Dezember ist lyrix zu Gast im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln. Dort kfindet ab Januar 2021 die Sonderausstellung „RESIST! Die Kunst des Widerstands“ statt. Sie setzt sich mit unterschiedlichen Formen, Momenten und Geschichten des Widerstands gegen den Kolonialismus und seine aktuellen Kontinuitäten auseinander. Leider kann auch diesen Monat aufgrund der Corona-Pandemie keine lyrix-Schreibwerkstatt in den Räumen des Museums durchgeführt werden. Ursprünglich geplant war ein Workshop mit Temye Tesfu und seiner Kollegin Tanasgol Sabbagh vom Berliner Lesebühnenkollektiv „Parallelgesellschaft“ mit abschließender Performance vor Publikum. Das Exponat, das das Rautenstrauch-Joest-Museum hierzu ausgewählt hat, sowie Informationen zur Ausstellung und zum Museum findet ihr im Folgenden.

The Singh Twins
Jallianwala: Repression and Retribution, 2019
Mixed-Media, 498 x 266 cm

Die Singh-Zwillinge sind zwei international renommierte zeitgenössische britische Künstlerinnen, deren Werk sich mit sozialpolitischen Themen sowie mit Erzählungen zur Kolonialgeschichte befasst. Das Triptychon-Kunstwerk „Jallianwala: Repression und Vergeltung“, das in der Sonderausstellung „RESIST! Die Kunst des Widerstands“ gezeigt wird, erinnert an den 100. Jahrestag des Amritsar- oder Jallianwala Bagh Massakers vom 13. April 1919 als ein Soldat des britischen Raj, Brigadegeneral Dyer, seinen Truppen befahl, das Feuer auf eine friedliche Demonstration unbewaffneter indischer Zivilisten in der Stadt Amritsar im indischen Punjab zu eröffnen. Es ist eine kreative Antwort auf eine weitgehend verborgene Episode britischer Herrschaft in Indien. Während die mittlere Tafel des Triptychons das Ereignis selbst thematisiert, verhandeln die linke und rechte Tafel den historischen Kontext, die Nachwirkungen und Vermächtnisse des Massakers. Im Zentrum stehen zwei Schlüsselfiguren der indischen Unabhängigkeitsbewegung: Udham Singh, der sich zwei Jahrzehnte später durch die Ermordung eines verantwortlichen britischen Politikers, Sir Michael O’Dwyer, für das Massaker rächte und Mahatma Gandhi, der seine Kampagne des gewaltfreien Widerstands intensivierte, um die britische Kolonialherrschaft in Indien zu bekämpfen.

The Singh Twins, Jallianwala: Repression and Retribution, 2019, © The Singh Twins

RESIST! Die Kunst des Widerstands

29. Januar bis 11. Juli 2021
RESIST! beleuchtet 500 Jahre antikolonialen Widerstand im Globalen Süden und erzählt über koloniale Unterdrückung und ihre Auswirkungen bis heute. Die Ausstellung ist eine Hommage an die Frauen, Männer und Kinder, die auf unterschiedlichste Art und Weise Widerstand geleistet haben und deren Geschichten bis heute kaum erzählt oder gehört werden.

museenkoeln.de/rautenstrauch-joest-museum/RESIST-Die-Kunst-des-Widerstands

Rautenstrauch-Joest-Museum, Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln / Wolfgang Meier

Das Rautenstrauch-Joest-Museum
Das Rautenstrauch-Joest-Museum (RJM) wurde 1906 am Ubierring in Köln eröffnet und wird seit Januar 2019 von der Niederländerin Nanette Snoep geleitet. Der Sammlungsbestand umfasst etwa 70.000 Objekte aus Ozeanien, Asien, Afrika und den Amerikas und 100.000 historische Fotografien. Köln war eine der Hochburgen der deutschen Kolonialbewegung. Die Gründungsgeschichte des RJM fällt auch in diese Epoche und ein wichtiger Teil der Sammlung stammt aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Das Museum befindet sich seit 2010 in einem Neubau am Neumarkt, in dem es neben Sonderausstellungen eine große kulturvergleichende Dauerausstellung präsentiert.

Institutionsgeschichte, Sammlungsgeschichte, Provenienzforschung und intensive Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern, aus denen die gesammelten Objekte stammen, sind zentrale Themen für das Museum geworden. Die Dauerausstellung wird in den kommenden Jahren in Zusammenarbeit mit Expert*innen aus dem Globalen Süden und aus der Diaspora überarbeitet und weiterentwickelt. 2018 restituierte das Museum erstmals einen mumifizierte Kopf, einen sogenannten Toi Moko aus seiner Sammlung an Aotearoa/Neuseeland.

 museenkoeln.de/rautenstrauch-joest-museum

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