drei sprachen sind zu groß für deinen mund

Die Jury hat entschieden!

Zu den Gewinner*innen

DAYS HOURS, MINUTES, und  SECS
[[deadline:2021-10-31 24:00:00]]

Wettbewerb im Oktober 2021

Neu bei lyrix: Ab sofort gibt es jeden Monat gleich zwei Monatsthemen, eins für 10- bis 14-Jährige und eins für 15 – 20-Jährige. Die Einsendungen werden separat bewertet und künftig präsentieren wir euch zu jedem Thema nicht mehr 6, sondern 12 Monatsgewinner*innen – 6 aus jeder Altersgruppe!

Hier findet ihr das lyrix-Monatsthema im Oktober für alle zwischen 15 und 20 Jahren. “drei sprachen sind zu groß für deinen mund” heißt es – eine Zeile aus dem Gedicht “çatodas”der Lyrikerin Dagmara Kraus. Es öffnet die Themenkomplexe Spracherwerb und Mehrsprachigkeit ausgehend von der Frage, wie es ist, als Kind mit drei Sprachen groß zu werden. Wir freuen uns auf eure lyrischen Interpretationen!


Kann man als Kind dreisprachig aufwachsen? Oder gibt es DIE eine Muttersprache? Welche Auswirkungen hat es, wenn man mehrsprachig groß wird? Auf jeden Fall ist es nicht immer leicht, zwischen mehreren Sprachen zu wechseln, erst recht nicht, wenn man erst Sprechen lernt. Dagmara Kraus webt in ihr Gedicht „çatodas“, das wir euch diesen Monat vorstellen, auch persönliche Erfahrungen ein: Sie selbst kam mit 7 von Polen nach Deutschland, erzieht ihre Kinder dreisprachig. Neben Polnisch und Deutsch bringt ihr Mann das Französische in die Familie. In ihrem Gedicht spannt sie den Bogen über den Spracherwerb (als Kind) bis hin zum Thema Mehrsprachigkeit allgemein. Ist es eine Überforderung, mit drei Sprachen gleichzeitig aufzuwachsen, und spricht man dann alle Sprachen “falsch”? Und was hieße hier “falsch” überhaupt?
Welche Bereicherungen seht ihr in der Mehrsprachigkeit und der Möglichkeit, in mehr als einer Sprache zuhause zu sein?

Unser Thema im Oktober öffnet viele Fragen. Welche Auswirkungen hat es, wenn Kinder mehrsprachig aufwachsen? Welche Geschichten stecken dahinter und was bedeutet
es wirklich, wenn man mit mehreren Sprachen jonglieren kann oder auch muss? „drei sprachen sind zu groß für deinen mund“ heißt unser aktuelles Monatsthema. Wir freuen
uns auf eure Einsendungen!

çatodas

Dagmara Kraus

drei sprachen sind zu groß für deinen mund, mein kind
kau dir an der kruste hier muskeln an, nimm
an floskeln tuste gut daran, te tłusteste zu meiden
ah, das wusstest du schon, na dann —

drei sprachen sind zu groß für deinen mund, mein kind
die eine hockt noch schief im rachen, indes die anderen
auf angenähte tanten machen, wie damals die
aus liza stara vom saalrand der parade rara

drei sprachen sind zu groß für deinen mund, mein kind
sagst du bélier, verbrauchst du zu viel spucke
meinst du wichurę, zeigst aufs regenzuckeln
und rührst dir was aus drei familien, führst krudes

durch die fleur-de-lilien und setzt dort wechselbälger aus
kuckuckskinder, bülbülschinder; wie du wörtchen
aus drei sprachen klaubst, wie du urkreol verschraubst
was syntaktisch, synku, sich nie binden ließe

pfui, du fiese mutter, biest du, arge hast dein kind betrogen
um die eine muttersprache; alles dreimal: drei ✕ strachy
drei ça-to-das, selbdritt fällst durchs fehlerfach
deine zunge, kindlein, splisst: père, quoi to ist, äquator

aus: Dagmara Kraus, liedvoll, deutschyzno, kookbooks 2020

Weiterführende Informationen

Dagmara Kraus, Foto: Ben Koechlin

Dagmara Kraus
1981 geboren in Wrocław (Polen), ist Autorin und Übersetzerin. Zu ihren Gedichtbänden zählen u.a. ›kummerang‹ (kookbooks 2012), ›kleine grammaturgie‹ (roughbooks 2013), ›wehbuch‹ (roughbooks 2016) und ›liedvoll, deutschyzno‹ (kookbooks 2020). Zuletzt erschien ihre Übersetzung von Gedichten Miron Białoszewskis unter dem Titel ›M’ironien‹ (roughbooks, 2021). Für ihr Werk wurde Dagmara Kraus u.a. mit dem Erlanger Literaturpreis für Poesie als Übersetzung (2017), dem Basler Lyrikpreis (2018), mit der Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung (2021) und zuletzt mit dem Lyrikpreis Meran (2021) ausgezeichnet. Gegenwärtig hat sie die Juniorprofessur für literarische Prozesse der Gegenwart am Literaturinstitut Hildesheim inne.

lyrix im Museum

lyrix richtet zu jedem Monatsthema eine begleitende Schreibwerkstatt in einem Museum aus. Diesen Monat ist das Max Ernst Museum in Brühl unser Partner. Dagmara Kraus wird hier am 08. Oktober eine Werkstatt zu ihrem lyrix-Thema „drei sprachen sind zu groß für deinen mund“ für eine Brühler Schulklasse leiten. Wer mehr zu unseren Schreibwerkstätten wissen möchte, kann uns gerne unter hallo@bw-lyrix.de anschreiben!

Im Folgenden seht ihr das Referenzobjekt zum Monatsthema, das das Max Ernst Museum für die Schüler*innen der Schreibwerkstatt ausgewählt hat. Vielleicht gibt es auch euch weitere Schreibimpulse?

Lehrerkollegium einer Schule für Totschläger
Foto: Max Ernst Museum Brühl des LVR

Max Ernst, Corps enseignant pour une école de tueurs (Lehrerkollegium einer Schule für Totschläger), 1967 – Bronze, grün patiniert

Die Besucher*innen des Max Ernst Museum Brühl des LVR werden auf dem Plateau von drei Bronzeskulpturen begrüßt. Das Ensemble wurde von der Kreissparkasse Köln zusammen mit 57 weiteren Skulpturen erworben, die Max Ernst persönlich besaß und mit denen er sein Haus im südfranzösischen Seillans umgab. Die zentrale Gestalt, der Max Ernst den Namen „Big Brother” gab, wird von den beiden hockenden Engeln „Seraphine-Cherubin” und „Seraphin der Neuling” flankiert. Die Anspielung auf den Roman „1984″ von George Orwell und auf den Satz „Big Brother is watching you!” ist unverkennbar. Die Figur mit der Schiebermütze auf dem Kopf steht für die zum Überwachungsstaat verkommene Obrigkeit. Der weibliche und der männliche Engel repräsentieren die kirchliche Herrschaft. Das Denkmal ist ein Anti-Monument.

Max Ernst (Brühl 1891–1976 Paris)
war einer der bedeutendsten und vielseitigsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Sein Leben als Maler, Bildhauer, Zeichner und Grafiker, aber auch als Schriftsteller und Dichter erstreckt sich von seinem Geburtsort Brühl, über seine dadaistischen Aktivitäten im Rheinland, die maßgebliche Beteiligung an der surrealistischen Bewegung in Frankreich, sein Exil in den USA bis hin zu seiner Rückkehr nach Europa im Jahr 1953. Auf die Frage nach seiner Lieblingsbeschäftigung antwortete Max Ernst stets „sehen“. So leitete ihn in allen Schaffensbereichen und -phasen ein Aufstand gegen ästhetische Normen und Konventionen. Seine indirekten Arbeitsweisen und seine umdeutenden Sichtweisen, künstlerische Verfahren wie Collage (Klebebild), Frottage (Durchreibezeichnung), Grattage (Abkratztechnik), Décalcomanie (Abklatschverfahren) und Oszillation (durch Pendelschwünge erzeugte Linien) ermöglichen ein Hineinsehen und Ausdeuten, eine schöpferische Mischung aus Passivität und Aktivität. Im nationalsozialistischen Deutschland als „entarteter Künstler“ gebrandmarkt, erwarb er sich, in Frankreich und schließlich in den USA wirkend, noch vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Maler und Bildhauer eine hohe Reputation. In der Nachkriegszeit wurde ihm diese Anerkennung auch in der Bundesrepublik Deutschland zuteil.

Max Ernst Museum Brühl
Das Max Ernst Museum Brühl des LVR ist das weltweit erste und einzige Museum, das dem Werk des Jahrhundertkünstlers und Weltbürgers Max Ernst (1891–1976) gewidmet ist. Es zeigt einen Überblick über das umfangreiche Schaffen des Dadaisten und Surrealisten, dessen Bildwelten – wie bei kaum einem anderen Künstler des 20. Jahrhunderts – sich durch verblüffenden Einfallsreichtum und geniale Inspirationskraft auszeichnen.

Max Ernst schuf nicht nur eine Vielzahl an Gemälden, Collagen, Grafiken, Plastiken und Assemblagen; seine unbändige Kreativität schlug sich auch in zahlreichen Büchern, Künstlermappen und Gedichten nieder. In seinen Bildwelten begegnen wir poetischen Landschaften, phantastischen Kompositionen und bizarren Wesen, deren Erfindungskraft und geistreicher Witz faszinieren und zugleich verwirren und beim Betrachter einen unausweichlichen Sog der Suggestion auslösen.
maxernstmuseum.lvr.de

LVR/ZMB, Foto: Dominik Schmitz

Schreibe, um zu träumen.