grau / aber ohne grauen

Die Jury hat entschieden!

Zu den Gewinner*innen

DAYS HOURS, MINUTES, und  SECS
[[deadline:2023-07-31 24:00:00]]

Wettbewerb im November 2022

Jetzt im Herbst und nahenden Winter werden die Tage wieder stiller. Für viele steht Weihnachten vor der Tür und damit auch oft ein Aufeinandertreffen mit der Familie. Wenn man schon ausgezogen ist, kehrt man dann vielleicht an den Ort zurück, den man mal Zuhause genannt hat. Und damit einher gehen meist allerlei Erinnerungen, Gefühle und Gedanken. So auch zu lesen in dem Gedicht, das wir euch passend dazu diesen Monat vorstellen möchten.

In Julia Mantels Text „kriftel/ts an weihnachten, / (ohne) grau(en)” beschreibt sie, wie jemand zu Weihnachten die Familie besucht und dabei widersprüchliche Gefühle empfindet. Auch euch möchten wir in diesem Monat bitten, eine Zeitreise in die eigene Vergangenheit zu wagen: Wie fühlt es sich an, wenn ihr an einen vertrauten Ort zurückkehrt? Das kann zum Beispiel die Gegend sein, in der ihr früher mal gewohnt habt, eure Grundschule oder die Wohnung eurer Großeltern. Was macht diese Orte zu vertrauten Orten? Sind es Gerüche, Gegenstände, Personen?

Erinnerungen werden manchmal mit besonderer Unmittelbarkeit auch von Gerüchen hervorgerufen. Vielleicht fallen euch auch direkt bestimmte Düfte ein, die ihr mit eurer Kindheit oder Jugend verbindet. Vielleicht die leckeren Klöße bei den Großeltern oder der Geruch des Gummibodens in der Grundschule? Gerüche sind so wichtig, dass sie Teil unseres kulturellen Erbes sind. Das Wissenschaftsprojekt „Odeuropa” sammelt historische Düfte aus den letzten fünf Jahrhunderten in Europa und hält sie in einer Geruchsenzyklopädie fest und stellt sich dabei zum Beispiel die Frage, wie Häuser und Straßen in euren Wohnorten wohl vor dreihundert Jahren rochen. Eine kurze Zusammenfassung, wie das Projekt die Gerüche sammelt, könnt ihr euch  hier bei Arte ansehen. 

Wissenschaftsprojekt “Odeuropa” zur Katalogisierung von Gerüchen, Foto: izdigital.fau.de

Schickt uns im November eure Gedichte zum Thema „grau / aber ohne grauen“! Reist in eure eigene Vergangenheit und schreibt uns von vertrauten Orten: An welche Details erinnert ihr euch? Inwiefern seid ihr nicht mehr die Person, die ihr damals wart? Und auf welche Weise speichert ihr die euch vertrauten Orte für die Zukunft ab? Wir freuen uns auf eure lyrischen Werke!

kriftel/ts an weihnachten, (ohne) grau(en)

Julia Mantel

vater klug
mutter stief
ein maskiertes
weihnachten
im trio-konzert

grau
aber ohne grauen
fragt mich vater
später
im auto
während wir
am friedhof
entlang fahren:

„ich weiß,
du hast diesen
vorort immer
gehasst,
es war nicht
paris, es war

nicht nyc,
aber wir haben
für dich
einen platz
im familiengrab
reserviert.
findest du
das okay?“

kurz muss
ich schlucken
bis ich
schließlich
lange nicke
und einfalle
in den
heiligen
gesang.

 

aus: Julia Mantel: Wenn du denkst, die Karibik steht Dir zu (c) 2021 Edition Faust, Frankfurt am Main

Weiterführende Informationen

Julia Mantel, Foto: Nina Werth

Julia Mantel
Geboren 1974 in Frankfurt am Main, Kindheit und Jugend im Vordertaunus, Studium der Angewandten Kulturwissenschaften in Lüneburg. Seit 2000 Konzentration auf Lyrik. 2005 Gründung des Konzeptlabels „Unvermittelbar“: unvermittelbar.de
Publikation von vier Lyrikbänden: „new poems“ (2008), „dreh mich nicht um“ (2011), „Der Bäcker gib mir das Brot auch so“, „Wenn Du eigentlich denkst, die Karibik steht dir zu“ (2021). Projekt- und Brückenstipendium der Hessischen Kulturstiftung 2020/2021. Sonderstipendium „Ausgefallen“ des Deutschen Literaturfonds (2022). Gründungsmitglied des Frankfurter Lyrikkollektivs „Salon Fluchtentier“, Vize-Vorsitzende des Hessischen Schriftstellerverband (VS). Lebt als Lyrikerin, Strickkünstlerin und Allroundjobberin in Frankfurt am Main.

Videos zum Monatsthema

Lesung Monatsgedicht und Schreibimpulse von und mit Julia Mantel

Schreibe, um zu träumen.