riechen Sie

Die Jury hat entschieden!

Zu den Gewinner*innen

DAYS HOURS, MINUTES, und  SECS
[[deadline:2023-11-30 24:00:00]]

Wettbewerb im November 2023

Sie sind unsichtbar und haben große Macht über unser Verhalten und unsere Gefühle. Sie lassen uns Menschen attraktiv finden und andere gar nicht, sie können dazu führen, dass wir mehr einkaufen, als wir wollen, und sie können uns unbewusst vermitteln, ob jemand Angst hat. Die Rede ist von Gerüchen. Noch immer ist nicht abschließend erforscht, wie unser Gehirn Gerüche wahrnimmt und welchen Einfluss sie auf unser Handeln haben. Ein spannendes Feld, nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Kunst. Ein Gedicht oder ein Kunstwerk entdecken wir in der Regel mit den Augen und/oder den Ohren. Können wir es auch riechen? Wie wäre das möglich? Und andersherum gedacht: Wie können wir Gerüche in einem Gedicht erfahrbar machen? Gibt es noch andere Wege, als zu beschreiben, wie ein Geruch riecht?

Modrig, holzig, lieblich, erfrischend, rauchig, süßlich, metallisch, stechend, blumig, würzig, käsig. Bestimmt habt ihr jetzt direkt den ein oder anderen imaginären Geruch in der Nase – sei es in Form von Duft oder Gestank. Ob wir einen Geruch als angenehm oder nicht empfinden, kann individuell sehr unterschiedlich sein. Unsere Prägung geht zurück bis in den Mutterleib. Schon dort speichern wir Gerüche als positiv oder negativ in unserem Erinnerungszentrum ab. Obwohl Gerüche so eine große Bedeutung in unserem Leben haben, ist Riechen für uns so normal, dass wir unserem Geruchssinn meist erst Bedeutung schenken, wenn er weg ist, zum Beispiel durch eine Corona-Infektion. Diesen Monat wollen wir gemeinsam mit euch neue Wege suchen, Geruch poetisch erfahrbar zu machen.

Ein Beispiel für eine sonst eher geruchslose Umgebung sind die Ausstellungsräume in einem Museum. Wie man diesem Ort eine neue Sinnesdimension schenken und Geruch auch in der Kunst „erlebbar“ machen kann, zeigt uns die Bremer Künsterlin Effrosyni Kontogeorgou. Als Teil der Ausstellungsreihe „Smell it! Geruch in der Kunst“ hat sie sich mit dem Vorgang der Transpiration und dessen poetischen Aspekten und assoziativen Ebenen beschäftigt.

Die Glasfassade vom Projektraum der GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst in Bremen ist beschlagen und trübe. Die künstlerische Intervention „Hemmung“ verwandelt sie in eine feuchte, blinde Oberfläche, die visuell nach außen kommuniziert und zugleich den Blick in das diffuse Innere versperrt und zerlegt. Kondenswasser legt sich auf die Glasscheiben, formt sich mit der Zeit zu Wassertropfen, die nach und nach in unbestimmten Bahnen an der Scheibe hinunterlaufen. Der Ausstellungsraum schwitzt. Anders als Schweiß hat Wasser keinen Geruch. Doch Feuchtigkeit löst Gerüche und bakterielles Wachstum aus. Was kann hier im Rahmen einer Duftausstellung gerochen werden? Wie riecht ein „verschwitzter“ Ausstellungsraum, wie riecht eine (geschlossene) Institution?

Um euch zu zeigen, wie das Thema Geruch auch in der Lyrik behandelt wird, stellen wir euch im November das Gedicht „Multispezies-Poesie (vom Typ 3.1) in zehn Schritten. Eine Anleitung“ der Lyrikerin Mara-Daria Cojocaru vor. Es fordert die Leser*innen in einer Art nüchternen Gebrauchsanleitung auf, Geruchsproben mit dem Finger auf das Gedicht zu streichen. Wir selbst werden vielleicht keine Schlüsse aus dem Geruch der Seite ziehen können, aber wie sieht es aus, wenn wir „diese Seite einem Hund“ geben? Probiert es gerne aus, wenn es einen Hund in eurer Nähe gibt!

Effrosyni Kontogeorgou, Hemmung, 2021
ortsspezifische Installation in der Gesellschaft für aktuelle Kunst (GAK)
Foto: Franziska von den Driesch
Effrosyni Kontogeorgou, Hemmung, 2021
ortsspezifische Installation in der Gesellschaft für aktuelle Kunst (GAK)
Foto: Franziska von den Driesch

Schickt uns im November eure Gedichte zum Thema „riechen Sie“! Wie sieht euer ganz persönliches „Geruchsgedicht“ aus? Welche Herangehensweisen, vielleicht auch ungewöhnliche, fallen euch ein, um Duft oder Gestank in einem Gedicht entstehen zu lassen? Vielleicht mögt ihr zur Vorbereitung Geruchsproben sammeln oder einen Tag lang ein Geruchstagebuch führen? Wir sind sehr gespannt, was euch einfällt, und welche wohl- oder übelriechenden Gedichte ihr uns diesen Monat schickt! Viel Spaß beim Riechen und Schreiben!

Multispezies-Poesie (vom Typ 3.1) in zehn Schritten Eine Anleitung

Mara-Dara Cojocaru

Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Autorin

Weiterführende Informationen

Mara-Daria Cojocaru, Foto: Brandhuber-Schmelzinger

Mara-Daria Cojocaru 
wurde 1980 in Hamburg geboren. Heute lehrt sie Praktische Philosophie an der Hochschule für Philosophie München SJ und forscht zum philosophischen Pragmatismus und zur Tierphilosophie. 2017 erhielt sie den Kunstförderpreis Bayern. 2021 erreichte sie den zweiten Platz (Alfred-Gruber-Preis) beim Lyrikpreis Meran und wurde mit dem Deutschen Preis für Nature Writing sowie dem Lyrikpreis des Mondseelandes ausgezeichnet. 2023 wurde ihr das Stipendium zum Rainer-Malkowski-Preis verliehen. Zuletzt erschienen von ihr die Bücher Du weißt nicht, wie schwer es geworden ist, einen Brief zu verschicken (gemeinsam mit Ron Winkler, Schöffling & Co 2021) und Buch der Bestimmungen (Schöffling & Co 2021).

Effrosyni Kontogeorgou, geboren 1980 in Athen, setzt sich mit ihren ortsspezifischen Arbeiten mit poetischen Analogien und Strukturen zwischen verschiedenen (Lebens-)Räumen auseinander. Sie studierte Malerei / Zeitbasierte Medien an der Hochschule der Bildende Künste Athen. Ihren Master in Digitalen Medien (M.A.) schloss sie an der HfK Bremen ab, wo sie 2015 Meisterschülerin bei Jean-François Guiton war. 2019/2020 gewann sie den 43. Bremer Förderpreis für Bildende Kunst. Sie lebt und arbeitet in Bremen.

Ausstellungen (Auswahl):
2023 Städtische Galerie Bremen; 2022 Kunstverein Ruhr, Essen; Galerie Mitte, Bremen; 2021 GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst; 2016 Weserburg Museum für moderne Kunst, Bremen; LWL-Museum für Kunst und Kultur und Westfälischer Kunstverein, Münster.

Links:
effrosyni.net/
gak-bremen.de/21_jaga_kontogeorgou_de/

Effrosyni Kontogeorgou

Videos zum Monatsthema

Lesung Monatsgedicht und Schreibimpulse von und mit Mara-Daria Cojocaru

Schreibe, um zu träumen.